Im Zuge der Restaurierungsarbeiten, die der Vatikan mit Blick auf das Giubileo im Jahre 2000 in der Sixtinischen Kapelle durchführen ließ, wurde im Herbst 1997 mit der Restaurierung der Sängerkanzel begonnen. Der Zustand der Cantoria war im Wesentlichen durch schlichte Fresken geprägt, die bei einer früheren Renovierung unter Pius VI. (1775–1799) im späten 18. Jahrhundert ausgeführt worden waren. Bei der Abnahme dieser Farbschicht kamen nicht nur die Reste der originalen Fresken aus dem Pontifikat Sixtus' IV. (1471–1484) zum Vorschein, sondern es zeigte sich auch, dass diese vollständig mit Graffiti überzogen waren. Die Tatsache, dass zu der Kanzel in der Regel nur die Kapellsänger Zutritt hatten, ließ vermuten, dass die Graffiti von Mitgliedern der päpstlichen Kapelle vor 1800 stammten. Nachdem im Oktober 1998 die Farbschicht vollständig von den Wänden abgetragen war, konnte mit der systematischen Untersuchung dieser Graffiti begonnen werden. Es handelt sich überwiegend um Initialen oder vollständige Namenszüge, die in vielen Fällen datiert sind. Darüberhinaus finden sich lateinische Sprüche, kurze Passagen musikalischer Notation und einige Zeichnungen. Die Graffiti des 15. und frühen 16. Jahrhunderts sind recht tief (ca. 1 Millimeter) eingeritzt, während bei den späteren die Tiefe tendenziell abnimmt und teilweise auch Schreibstoffe benutzt wurden.
Ein Katalog der aufgefundenen Graffiti erschien 2009:
Die Graffiti auf der Sängerkanzel der Cappella Sistina.
Vollständiger Katalog und Dokumentation, in: Birgit Lodes u. Laurenz Lütteken (Hgg.),
Institutionalisierung als Prozess. Organisationsformen musikalischer Eliten im 15. und 16. Jahrhundert,
Kongressbericht Rom, Dezember 2005 (= Analecta Musicologica, Bd. 43), Laaber 2009, S. 225–273.
Die beigelegte CD-ROM bot die vollständige Dokumentation der Graffiti und wird hier online zugänglich gemacht. Durch die Kombination unterschiedlicher editorischer Methoden wurde eine möglichst differenzierte Bestandsaufnahme angestrebt. Die Graffiti werden einerseits in digitalen Fotografien und Strichzeichnungen wiedergegeben. Die Strichzeichnungen basieren auf Frotées (Bleistiftabrieben), die sektorenweise von den kompletten Wänden genommen, anschließend auf Papier übertragen, abfotografiert und gescannt wurden. Die Kombination beider Methoden wurde gewählt, weil je nach Beschaffenheit des einzelnen Graffitos, das heißt Tiefe, Werkzeug oder Farbe der Wandpartie, die Fotografie oder die Strichzeichnung eine deutlichere Wiedergabe gewährleisten. Die Fotografien entsprechen den Sektoren der Strichzeichnungen und stellen die systematische Abbildung aller Wandteile jeweils von links oben bis rechts unten dar. Dabei kommt es zwangsläufig zur Teilung einzelner großflächiger Graffiti, was jedoch zugunsten der Übersichtlichkeit der Gesamtdokumentation in Kauf genommen wurde, denn die vier Wandteile (die Rückwand wurde in die Wandteile B und C – links beziehungsweise rechts vom Fenster – unterteilt) erscheinen damit durch ein einfaches Koordinatensystem leicht überblickbar: Die Buchstaben A – D bezeichnen dabei den Wandabschnitt, der jeweils erste Zähler die senkrechte, der zweite die waagerechte Koordinate.
Diese Publikation hätte ohne die Mithilfe zahlreicher Personen nicht realisiert werden können. Mein Dank gilt zunächst den Vatikanischen Museen und ihrem damaligen Direktor, Dr. Francesco Buranelli, sowie S.E. dem damaligen päpstlichen Zeremonienmeister Piero Marini für die unkomplizierten Arbeitsbedingungen, die mir in der Sixtinischen Kapelle gewährt wurden. Prof. Dr. Arnold Nesselrath, damaliger Direktor der Pinakothek der Vatikanischen Museen, machte mich auf die Sängergraffiti aufmerksam und ebnete mir nicht nur zahllose Pfade im Vatikan, sondern unterstützte dieses Dokumentationsprojekt ebenso wie die dauerhafte Konservierung der Graffiti mit Nachdruck, wofür ihm größter Dank gebührt. Ebenso großen Dank schulde ich der Restauratorin Dr. Alessandra Bertoldi, die sich bei der Erfassung der Graffiti vor Ort maßgeblich beteiligte und die Arbeiten mit begeisterndem Eifer unterstützte. Für die Hilfe bei der graphischen Aufbereitung des umfangreichen Bildmaterials danke ich Renate Pietschmann und Caprice Jakumeit. Die technisch komplizierten Fotografien der Strichzeichnungen verdanke ich Frau Karen Lück; Geert Storbeck (beide ehemals Universität Bonn) danke ich für die Vermittlung dieses Kontakts. Herzlich sei auch Reto Schürch (ehemals Universität Bern) für die technische Herstellung der beiliegenden CD ROM gedankt. Für vielfältigen Rat gebührt ferner Prof. Dr. Richard Sherr sowie Dr. Doris und Prof. Dr. Arnold Esch mein Dank.
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